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7 Stunden in Tibet


Von jetzt an gehts bergauf: Im Khosi-Tal am Fuß des längsten Anstieges wo gibt.
Nach zwei Wochen - Endlich "on the road"
Samstag am 28. Gings endlich los. Um 9 sass ich endlich auf meinem Rad und konnte das Radlerglueck kaum fassen. Schon nach einer Stunde hat ich das nervende Verkehrschaos hinter mir gelassen und befand mich mit einem breiten Grinsen endlich on the road. Das Rad schnurrte, die Sonne schien und die Bananenblaetter wehten mir um die Nase. Gleich nach 20km kam mir der erste schwer bepackte Radtourist entgegen. Zur grossen Ueberraschung kam er meine Tour genau andersrum. Von Vietnam nach Kunming, nach Tibet, nach Kathmandu. Wir tauschten ein paar Infos. Und er machte mir Mur auch ohne Permit durchzukommen. Allerdings ist das "Eindringen" nach Tibet von Osten und Norden wesentlich einfacher. Naja. Ich probiers.

Der erste Schock - Das Ende nach 30 km?
Nach einem kleinen Pass ueber 1750 m hinter dem Kathmandu Tal freute ich mich ueber die erste laenger Abfahrt. Hinunter zum Khosifluss auf 700m. Ich liess mal ein wenig rollen, uebersprang ein Schlagloch und hoerte es ploetzlich hinter mir rumpeln. Ich drehte mich um und sah, dass sich die linke Fahradtasche selbstaendig gemacht hatte und hinter mir die Strasse heruntergepoltert kam. Ich bremste sanft und hoerte auf einmal eine Weile nix mehr rumpeln - dann ein grosses Poltern etwas weiter tiefer, und weiter und weiter und es hoerte nicht mehr auf. Schnell begriff ich, dass die Tasche den Abgrund hinunter gestuerzt ist. Aber tief unten polterte es immer noch. Es hoerte nicht auf. Wurde nur immer leiser. So tief kann das doch gar nicht sein - allerdings verdeckte dichtes Buschwerk den Blick in die Tiefe. Oh Schitt. Medikamente, Ersatzteile, Werkzeug – die wichtigste Tasche, verschwunden. Diese Sachen in Kathmanu aufzutreiben wuerde Tage dauern. Ohne weiterfahren ist erst gar nicht drin. Ich schmiss mein Fahrrad an den Seitenrand und stuerzte ins Gebuesch. Hinter mir her kam ein Nepali der das Ganze beobachtet hatte. Er versuchte mich zurueck zu halten, doch ich vermutete die Tasche immer noch so 10m unter mir.
Ich rutschte mehr oder weniger durch die Buesche. Hielt mich hier und da an ein paar Grashalmen fest und kam erst zur Besinnung als ich ueber einen 2m Absatz huschte und mit dem Steiss unsanft auf einem Felsvorsprung aufkam. Da sass ich nun. Unter mir ein tief in den Fels eingeschnittener Canyon. Bis hinunter zum Khosi Fluss. Unmoeglich hier mit den Radschuhn runter zu klettern. Aber einer meiner Bergschuhe war schliesslich auch in der Tasche. Und das Tragische - auch tief unten war von der Tasche keine Spur.
Nach einer kurzen Atempause kam endlich auch der Nepali, griff mich am Arm und wies mir einen kleinen Pfad an der Seite entlang. Wieder stuerzte ich weiter in die Tiefer. Immer wieder mit den Fuessen in der Luft und den Haenden einen Baumstumpf umklammernd. So rutschte ich fast eine halbe Stunde bergab. Es muessen 150 Hoehenmeter gewesen sein bis ich weiter unten einen kleinen Jungen im Wasser sah, der verzweifelt versuchte eine blaue Tasche den Canyon hochzuwuchten. Daneben standen fassungslos zwei Frauen, die an diesem Steilhang 50cm breite Reisfelder bewirtschafteten. Aufgeregt zeigten Sie immer wieder mit den Haenden in die Luft und schrien und Lachten. Phuu. Ich kletterte zu dem Jungen, nicht ohne mir hier und da nochmal gehoerig den Steiss zu prellen und umarmte Jungen und Tasche gleichzeitig.
Hoch gings dann langsamer aber mindestens genauso schwierig. Ich brauchte fast 2 Stunden um oben wieder auf der Strasse zu sein. Da lag mein Fahrrad. Inklusive Papieren und Geld. Die Brille und die Handschuhe lagen halb auf der Strasse verstreut und daneben stand ein lachender Nepali. Den umarmte ich auch gleich nochmal. Gab ihm ein saftiges Bakschisch und fuhr gaaaanz langsam weiter nach unten. Im Tal wurden die Taschen dann mit Draht am Gepaecktraeger befestigt.

Endlich: die erste Nacht im Zelt
Der längste Anstieg der Welt - von 750m bis 5120m bergauf
Gegen Abend sah ich zwei Zelte am Khosi Fluss, daneben lagen Fahrraeder. Erwin ein Radler aus Holland und zwei Japaner winkten mich sofort zu sich und so kam ich endlich dazu mein neues Zelt auszuprobieren und in herrlicher Umgebung das zu tun, warum ich eigentlich hier bin. Am Feuer sitzen. Den klaren Sternenhimmel bestaunen und klare Luft inhalieren. Wir verbrachten einen lustigen Abend. Und die drei, die gerade aus Tibet kommen machten mir den Mund waessrig mit allerlei Superlativen ueber das Land da oben - Irgendwie muss ich da hin.
Am naechsten Tag gings bergauf, von 750 bis auf 5120m. Fuer die einen ist es die laengste Abfahrt, fuer die anderen der laengste Anstieg der Welt. Ich hab mich ja bekanntlich fuer Letzteres entschieden, was ich auch gleich zu spueren bekam. Es ging ueberhaupt nicht. Ich schleppte mich ueber schlechte Strasse. Immer wieder den Blick nach oben und auf den Hoehenmesser gerichtet. Da tat sich nun mal gar nichts. Schon nach wenigen Stunden war ich voellig erschoepft und lag laengelang nach Luft ringend auf der Strasse. Meine Erkaeltung schlich wieder in alle Glieder. Irgendwie war ich nicht fit. Doch die vielen Kinder um mich rum liessen mir keine Sekunde Ruhe und so gings weiter. Zu allem Uebel erreichte ich bald das Ende der befestigten Strasse und war heilfroh als mir 20 km vor der tibetischen Grenze an einer grossen Haengebruecke jemand das Wort LUNCH zurief. Keine Sekunde zoegerte ich. Ging ihm nach ueber die Haengebruecke und befand mich mitten im Borderland Last Resort Hotel. Paradiesisch. Safariezelte schoen mit Teppichen. Grosse Bar mit ner Menge Bier. Schnell stand fest - hier bleibste erstmal. Fuer 20$ inklusive Vollverpflegung zwar nicht das Billigste, aber genau das richtige um eine Erkaeltung wegzukurieren. Das ganze war so enspannt, das ich den naechsten Tag auch gleich noch mit Muhlen verbrachte. Irgendwie hat mich Kathmandu ganz schoen mitgenommen.
Mitlerweile war es Dienstag und frisch und froehlich strampelte ich nun erholt bergauf Richtung Grenze.

Grenzort Kodari: Im Hintergrund die Freundschaftsbrücke und die chinesische Grenzstadt Zhangmu
Rueckschlag an der Freundschaftsbruecke
Schon von weiten sah ich die Freundschaftsbruecke naeherte mich ihr mit einigem Respekt. Was wird denn das wohl hier? Komisches Gefuehl. Ich passierte den nepalesischen Checkpoint und liess mich erstmal nicht abstempeln. Im Falle einer Rueckreise waehren schliesslich erneut 50$ fuer ein neues Visum faellig. Dann ging es ueber die rote Linie. Immerhin war ich jetzt schon mal drin. Noch 100m bis zu den Chinesischen Wachen. Ich schob langsam mit gehoerigem Respekt und schon von weitem winkte mich ein junger Armist zu sich herueber. An einem Holztisch sassen drei Chinesen die gleichzeitig zwei Worte in english zu formulieren versuchten. GLOUP? PELMIT? Ich grinste. Gruesste schoen Mihau und erklaerte Ihnen dass ich nich wuesste was sie wollten. Und schob weiter. Dann kam PASSPOLT. Ok. Ich zeigte ihnen mein Passport, mit dem regulaeren Visa und grinste freundlich. Der Pass waechselte von Hand zu Hand und alle schuettelten einhellig mit dem Kopf. GUIDE? Ich grinste wieder. Dann wiesen Sie mir den Weg zurueck KATHMANUU. Da schuettelte ich energisch mit dem Kopf und holte meine Karten raus. Zeigte Ihnen das ich von weit her angereist komme. Von Europa ueber Indien. 10.000de km. Dass ich nach Golmud will. Die grosse Mauer. Peking. Das wunderschoene China. Sie waren alle von meiner One-Man-Show schwer begeistert. Lachten und zeigten mir auf der Karte sogar wo sie herkommen. Grosser Spass. Ich dachte echt ich hab die Sache voll im Griff.

Noch hundert Medter, dann war erst einmal Schluss: Auf dem roten Grenzstrich
Die Feuerwehr dein Freund und Helfer
Als ich mein Rad wieder nahm um weiter zu schieben versteinerten sich ihre Chinesenminen in sekundenschnelle und ein NO kam ueber ihre Lippen. Ich beschloss sie zu belagern und setzte mich direkt neben Ihren Tisch. 7 Stunden. Nichts passierte. Allerdings waren sie nett. Boten mir Zigaretten, dann Aepfel an und liessen mich sitzen. Ich glaub ich wurde heut noch sitzen wenn nicht Michel aus Dresden ploetzlich neben mir sass. Er kam aus Tibet hinunter, erkannte mein Problem und meinte sofort NA DA MUESSEN WIR MAL SEHEN WIE WIR DICH HIER RUEBER KRIEGEN. So etwas hilft in verfahrenen Situationen ungemein. Michel war mit zwei Freunden und einer uralten roten Feuerwehr von Dresden bis hier her gekommen. Doch Tibet hat er ohne die Feuerwehr machen muessen - die stand seit Wochen vor einem Guesthouse unweit der Grenze.
Wir verabredeten uns fuer den Abend - so ganz hatte ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben und harrte noch bis zur Dunkelheit aus. Dann war es mir zu bloed und ich nahm mir ein Zimmer und verbrachte netten Abend mit Michel.

Am naechsten Tag gings zusammen mit Michel erneut zur Bruecke. Er hatte einige Kontakte hier, die bis zum Polizeichef recihten. Doch auch der konnte nichts richten. Immerhin traf ich eine Menge Reisende und sammelte Infos. Irgendwann kam der Kontakt zu einem Bekannten, der eine Agentur in Kathmandu kennt, der noch bis Samstag eine Gruppenreise organisieren koennte. Kosten 150$. Ich hatte Zeit bis 15 Uhr. Dann muesse die Passnummer telefonisch nach Lhasa durchgegeben werden. Also was machen. Das schien die einzige Moeglichkeit zu sein. Wieder zurueck nach Kathmandu. Vielleicht noch auf einen Flug warten. Wieder in eine Stadt. Das Fahrrad verpacken. Ne. Das kam nicht in Frage. Michel riet mir zu und so buchte ich die Bustour "5 Tage, 4 Naechte nach Lhasa" mit der Hofnung irgendwo auf der Strecke mein Rad zu nehmen und abzuhauen. Allerdings war das nach den Aussagen der Nepali strengstens verboten und alle Reisende die auf dem Gruppenvisum erwaehnt werden muessen auch so in Lhasa abgeliefert werden. Ich war schon irgendwie enttaeuscht.
Umsomehr hat es mich gefreut, dass Michel mich in seine rote Feuerwehr eingeladen hat. Wir haben lecker gekocht und einen klitze Kleinen zusammen getrunken. Es war aeusserst spannend, schliesslich hatte Michel unheimlich viel zu erzaehlen. Die Nacht verbrachte ich im King Size Bett im ausgebauten Mercedes LKW Bj 1964. Erstaunlich wie die Jungs es bis hier runter geschafft haben. Am naechsten Tag musste Michel leider mit seiner toten Batterie nach Kathmandu abreisen, hinterliess mir aber die Schluessel und die Hoheit ueber die einmalige Pension. Und so konnte ich bis Samstag bei geoeffneter Heckklappe rueber nach Tibet schauen, im Bett luemmeln und mal wieder tuechtig entspannen.
Danke Michel. Naehere Infos uebrigens unter http://www.trio-unterwegs.com Am Freitag traf ich noch Birgit und Matthias. Ich war so frei sie wiederum zu einem gemuetlichen Abend in die Feuerwehr einzuladen. Ich hoffe Michel, das ging in Ordnung.

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© 2003 andreas hahn
















Alter Benz mit Dresdner Nummernschild in Kodari: Mir Soogsen sin iberall.

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