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Die Gefährten


Die Freundschaftsbrücke muss warten
Mein Entschluss am Sonntag, den 22.September allein loszuduesen stand fest. Ich checkte aus, traf Karen, Mikkel und Boris zu einem gemuetlichen Abschiedsfruehstueck, packte hoffnungsfroh mein Fahrrad und ging noch einmal den E-mails nach. Sollte schliesslich fuer eine laengere Zeit das letzte mal sein.
Und dann kam alles anders als geplant. Pepe, ein spanischer Fahrradweltreisender freute sich ueber meine Anfrage und schrieb mir, er wuerde liebend gern mit mir zusammen nach Lhasa radeln. In "couple of days" sei er in Lhasa. Hmmm. Was nun?
Einerseits freute ich mich riesig, endlich jemanden gefunden zu haben mit dem ich die Strapazen teilen koennte. Andererseits war ich kurz davor endlich loszufahren - das Rad stand gepackt vor der Tuer. Auch wenn ich nicht genau wusste, wann Pepe nun in Kathmandu eintreffen wuerde und wie die ganze Permitgeschichte nun zu zweit zu handeln sei, entschied ich zu bleiben und auf Pepe zu warten.
Ich wechselte das Hotel - wollte schliesslich am Wahlabend einen Fernseher im Zimmer - und stromerte noch den restlichen Tag durch Kathmandus Gassen.
Abends traf ich auf ueberraschte Gesichter der Kollegen und wir gingen wie sooft ins G´s, The German´s Restaurant, speisen.

Wahlkrimi im German´s Restaurant
Nach dem Essen verschwand Boris ploetzlich und tauchte mit erfreutem Gesicht wieder auf - im Fernsehen laeuft die Wahl!. Oh Mann. Haett man fast vergessen koennen. Zusammen mit zwei anderen Deutschen verfolgten wir nun angespannt die Hochrechnungen auf DW-TV. Eine komische Situation, in so einer fremden Umgebung so nah dran zu sein. Es war schon spaet und eigentlich haetten uns die Besitzer laengst rausschmeissen muessen. Doch wie sich herausstellte, sass neben uns der Gruender und langjaherige Besitzer des G’s, Hartmut aus Muenchen und seine Begleitung. Wir konnten also bleiben und in aller Angespanntheit zittern. Wir waren uns einig - bei Stoiber, Beckstein, Spaeth und co, bleiben wir hier. Und es sah nicht gut aus. Die Hochrechnungen auf DW-TV fuehrten CDU so deutlich an der Spitze, dass wir unsere langen Gesichter tief in den Bierglaesern vergruben Und der Trend wurde nicht besser. Im Gegenteil. Erst die Studiogaeste wiesen in den Interviews darauf hin, dass doch die anderen Meinungsforscher einen gegenteiligen Trend erfassen wuerden. Und auch eine Schalte zur Elefantenrunde von ARD/ZDF praesentierte uns einen ziemlich enspannten Schroeder. Es keimte langsam Hoffnung am anderen Ende der Welt. Als wir gegen 2 Uhr das G´s verliessen, war Rot-Gruen noch immer hinten. Erst mein Hotelfernseher verschaffte mir dann ab 4 Uhr eine ruhige, noch verbleibende Nacht.

Reisegruppe: Karen, Mikkel, Lila, Boris
Mit Lila ins Mittelalter
Zu Boris, Karen, Mikkel und mir hatte sich in den letzten Tagen ein junger Nepali gesellt. Er war in den Gassen von Thamel auf der Suche nach Unterstuetzung fuer seine kleine Bergschule. Hmm. Klingt ersmal komisch, iss aber so. Da in Thamel so ziemlich jeder so ziemlich alles erzaehlt um an ein paar Rupien zu kommen waren wir natuerlich von Haus aus erstmal skeptisch. Doch Lila entpuppte sich als aeusserst feiner Kerl und sympatischer Zeitgenosse.
Die drei hatten beschlossen, einer Einladung Lilas in die Berge zu folgen und sich seine Schule anzuschauen. Dass ich nun doch noch ein paar Tage hier war kam mir so ganz gelegen. Ich konnte mich der kleinen Reisegruppe anschliessen.
Am Dienstag, zwei Tage vor unserem Ausflug traf ich zwischen Outdoorshops und Souvenierhaendlern einen ziemlich zerzausten Radfahrer. Wie es der Zufall so will war es Pepe, der gerade von Pochora angereist kam. Wir verabredeten uns zum Dinner und es stellte sich heraus, dass Pepe auch recht bald aufbrechen will. Allerdings mit dem Unterschied, dass er sich eine kleine Expedition vorstellte - heisst ein LKW, ein chinesischer Guide, moeglichst ein Koch und mit noch ein paar anderen Radlern, die gerade nach Kathmandu unterwegs seien. Na Spitze. Genau das was ich mir vorgestellt hatte. Und alles zusammen fuer so laeppische 2000$, allerdings verteilt auf die Fahrradhelme.
Ich erzaehlte ihm von meiner Bekanntschaft mit dem Inhaber eines Fahrradladens, der mir anbot bei zwei Personen ein offizielles Gruppenvisum inkl. Permit besorgen zu koennen, da er angeblich einen Freund in der chinesischen Botschaft habe. Fand er ganz gut. Wollte er aber nicht so recht glauben, dass so etwas geht. Entweder ganz offiziell (5 Personen, Guide, Gruppenpermit), von Lhasa nach Kathmandu oder eben illegal. Und illegal ist schwierig, wegen der vielen Checkpoints. Er hat viele Radler getroffen, die von der Freundschaftsbruecke enttaeuscht zurueck gekehrt sind. Und von den Checkpoints gibt es die wildesten Storys. Die reichen von Haft- bis zu saftigen Geldstrafen. (Ein canadischer Fahrradfahrer hat angeblich beim Versuch einen Checkpoint in hoher Geschwindigkeit zu "ueberrollen" inkl. Zwangsflug nach Hongkong, knapp 5000$ Strafe zahelen muessen.)
Jetzt wusste ich auch nicht mehr weiter und hatte allmaehlich die Nase voll. Ich versprach ihm, meine Infos noch einmal zu ueberpruefen. Er versprach mir, sich nach dem Verbleib der anderen Radler zu erkundigen. Und wir verblieben so ohne konkrete Plaene.
Am Donnerstag ging es am fruehen Morgen im stroemenden Regen mit Lila zum lokalen Busanlegeplatz. Bahnhof oder Haltestaelle waere uebertrieben. Busse wuehlten im Schlamm. Dazwischen Haendler in den Bussen, vor den Bussen, zwischen den Bussen. Geschrei und Gestank. Und ein so richtig schoen versiffter Bus. Noch ist man ja nicht richtig "aklimatisiert". Die Sitzbezuege glaenzten vor Speck. Also erst die Jacke drueber und dann vorsichtig anlehnen.



Zur grossen Freude tropfte es durch alle Ritze in den Innenraum. Schon bevor der Klapperkasten sich in Bewegung setzte war der halbe Sitz nass. Karen hatte sich vorsichtshalber neben Lila gesetzt. Sie wusste genau, dass der Bus bei Zeiten ueberquellen wuerde. Und dann ist es besser einen Bekannten neben sich zu wissen. Wir dagegen sassen erstmal schoen bequem neben unseren Rucksaecken. Um spaeter dann auch zusammenzuruecken.
Lila kaufte uns noch gekochte Eier. Und als ob man durch langsames Essen Vergiftungen vermeiden koennte, ass ich das Ei aeusserst behutsam. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was an Essen alles noch auf meinen kleinen Magenpfoertner zugerollt kommen wird.
Ueber eine Stunde quaelte sich der Bus durch den Grossraum Kathmandu. Man haette die Strecke in dieser Zeit auch locker zu Fuss zurueck legen koennen. Dann wieder ein Stopp. Wieder Haendler in den Bussen, neben den Bussen.
Wir brauchten knapp 4 Stunden fuer die 80 km bis Bharabise. Allerdings ging die Strecke durch das wunderschoene Tal des Khosi Flusses - rauf in Richtung tibetische Grenze. Die Strecke, die ich hoffentlich bald auch mit dem Rad zurueck legen werde.
Ab Bharabise gings zu Fuss weiter. 500 Hoehenmeter mussten wir ueberwinden, bis wir die ersten Huetten passierten. Ueberall roch es nach feuchtem Feuerholz. Und jetzt wusste ich, wo ich den Geruch der Menschen einzuordnen hatte.

Lilas Daddy bei einem kleinen Nickerchen zusammen mit der Kuh
Es ging durch wunderschoener Landschaft vorbei an unzaehligen kleinen Reisterassen. Nur die Huetten waren von den Staellen nicht zu unterscheiden. Die Misthaufen vor den Huetten stanken und die Wasserbueffel wuehlten sich im Dreck. Hier sollen wir schlafen? Durch den Regen waren wir triefend nass. Mir war kalt und ich sehnte mich nach einem trockenem Unterschlupf. Dann endlich erreichten wir Lilas Zuhause. Sofort schluepften wir durch den ca 1.20m hohen Eingang in die Lehmhuette und waren froh im warmen und trockenem zu sein. Der frisch mit roter Erdfarbe bestrichene Lehm und das in der Mitte gokelnde Feuer verspruehten eine heimelige Athmosphaere. Hier bleiben wir.Wir hatten etwas Gemuese und Bier mitgebracht und bekochten die ganze Familie. Immer mehr Menschen, Freunde und Verwandte, stroemten nach und nach in den Raum um uns zu bestaunen.



Wir hatten etwas Gemuese und Bier mitgebracht und bekochten die ganze Familie. Immer mehr Menschen, Freunde und Verwandte, stroemten nach und nach in den Raum um uns zu bestaunen. Lilas Eltern. Lilas Brueder inklusive Familie, Cousins, Cousinen, deren Familien und bestimmt 20 Kinder des Ortes drueckten sich neugierig durch den winzigen Eingang. Es gab lecker Gemuese mit Reis und wir hatten einen spassigen Abend. Mikkel hatte eine Bordzeitung aus dem Flugzeug mitgebracht. Voellig fasziniert gingen nun die Bilder im Kreis. Bunte Bilder.
Unterwasseraufnahmen, Strandbilder, Weltkarten Aus den Gesichtern sprach voelliges Unverstaendnis. Wo soll man das einordnen? Lilas Eldern waren maximal im Tal - noch nie in Kathmandu.
Auch Mikkels Stirnlampe sorgte fuer grosse Aufregung.Fuer einige Erregung bei uns sorgte allerdings die Tatsache, dass sich so langsam einiges Getier mit uns in der Huette zur Bettruhe bereit machte. 5 glueckliche Ziegen wurden neben uns angedockt und bekamen vom guten Geschirr die Reste zu fressen. Einige Huehnchen stromerten um uns rum und wir waren etwas erleichtert, als uns Lila zum Schlafen ins obere Stockwerk bat. Doch aufstehen ist in so einer Huette ein Problem. Die Luft ueber 1m ist voller Qualm. Die Huette hat keinen Rauchabzug. Und so zieht der Qualm durch den Raum und die Decke in die obere Stockwerke. Was wahrscheinlich gegen allerlei Ungeziefer und Feuchtigkeit ganz sinnvoll zu sein scheint, hat natuerlich Auswirkungen auf die Bronchien der Bewohner. Husten gehoert zum guten Ton. Nur Lilas Mutter hoert sich wirklich nicht gut an. Lilas Meinung nach raucht sie viel zu viel. Wir krochen nach oben, husteten kurz ab und betteten uns darnieder. Ich hatte zum Glueck meinen Schlafsack mitgebracht, und so war ich von unten und von drumrum gut gebettet. Allerdings stuerzten sich des Nachts allerlei Bugs auf mich hernieder. Der Blick am fruehen Morgen aus dem offenen Durchgang direkt ueber das weite Tal lies jedoch schnelle alle Unannehmlichkeine vergessen. So einen Blick gibts nichtmal im Tophotel.

Schuldirektor Lila und seine High-Potentials
Eine Schule in den Bergen braucht Unterstuetzung
Nach einem lecker Ingwer-Tee (Den musste ich trinken, ich hatte schliesslich eine kleine Grippe - und es hat wirklich geholfen) und Bueffel-Milch gings auf zur Hospitanz. Schon auf dem Weg zur Schule trafen wir auf hochmotivierte Kids. Die oben rum immerhin in Schuluniform (ein paar blaue Hemden bekam Lila von einem Hollaender geschenkt) und Brotbuechse unter dem Arm auf dem Weg zur "Schule" waren. Von weitem gruessten Sie mit Namasteeeee und falteten die Haende vor der Brust bzw vor der Stirn.
Allerdings trafen wir auch viele Kinder die grosse Grasbuendel schleppten. Nur durch einen Riemen am Kopf gehalten, wuchten schon 4 und 5jaehrige die 20-30 Kilo schwerden Buendel barfuss ueber die schmalen rutschigen Pfade. Erst wenn die Arbeit getan ist, koennen die Kids in Lilas Schule.
Die Schule entpuppte sich als 15qm grosser Raum in Lilas kleinem Haeuschen. Er hat sein Haus zur Verfuegung gestellt, um den Kids im Kindergartenalter eine Chance fuer ihre Zukunft zu geben. Die Menschen hier nahe der Tibetischen Grenze sprechen eine dem Tibetischen verwandte Sprache. Wenn die Kinder dann spaeter ins Tal in die richtige Schule gehen, werden Sie von Hindus in Nepali unterrichtet. So haben sie von vornherein nur wenig Chancen mit dem Schulstoff mitzukommen und werden zudem von den Lehrern benachteiligt.
Lila ist der Einzige seines Dorfes, der eine richtige Ausbildung genossen hat. Sein Onkel nahm ihn im Alter von 10 Jahren mit nach Indien. Dort musste er zwar schwer arbeiten, bekam aber die Moeglichkeit Hindu, Nepali und sogar English zu lernen. Mit seiner kleinen Schule gibt er nun den Dorfkindern die Moeglichkeit einen gleichberechtigten Start in die Schule zu schaffen.
Und wie die abgegangen sind die kleinen. Selbst das englische Alphabet haben Sie uns um die Ohren geschriehen.
Alles waere in bester Ordnung, wenn Lila nicht unbedingt Geld brauchte. Das Haus gehoert der Bank. Und ca. 400$ muss er auftreiben, damit die Bank die Schule nicht dicht macht. Weiter fehlt es an Stiften, Bloecken usw. Lediglich eine Tafel schmueckt den kahlen Raum. Ein Geschenk von einem Touristen.
Werde nach meine Heimreise mal ein paar Carepakete fertig machen. Wer da finanziell mithelfen will, kann sich gerne an mich wenden. Ich wuerde mich riesig freuen, Lila und die Kids natuerlich noch mehr.


Nicht nur von der schlechten Luft die Nase voll: Das Fahrrad als Wäscheständer
Allein zurueck nach Kathmandu
Nach der erfolgreichen Hospitanz gings zurueck in die heimelige Huette. Lilas Mutter bereitete unter immer wieder kehrenden Hustenanfaellen das Essen zu. Gemuesepfanne, Ei, lecker Souce und jede Menge Reis. Und alles aus dem Topf, aus dem gewohenlich auch die Ziegen draus schlecken - Irgendwann gewoehnt man sich an Alles. Auch wenn unsere Reisegruppe mitlerweile ziemlich viel Spass hatte, beschloss ich nach erfolgreicher Schulmission am Freitag die Heimreise anzutreten. Karen, Boris und Mikkel wollten noch ein, zwei Tage bleiben. Da Boris und Karen am Montag Kathmandu in Richtung Bangkok verlassen wollten, sollte es am Sonntag noch eine zuenftige Abschlussparty geben. Ich rechnete mir aus, wenn es mit der Freundschaftsbruecke nicht klappen sollte, vielleicht schon am Sonntag abend in Kathmandu zurueck zu sein… Ich fuhr also zurueck nach Kathmandu. Erst auf dem Rueckweg wurde der Bus an fuenf Checkpoints aufgehalten. Alle Nepali mussten aussteigen. Ich Touri durfte als einziger im Bus sitzen bleiben. Dann huschte ein Soldat schwer bewaffnet durch den Bus und suchte Maoisten und Handgranaten. Ob sie sie so finden, ist allerdings fraglich. In Kathmandu erfuhr ich dann per e-mail vom Fahrradhaendler meines Vertrauens, dass er uns nun doch einen LKW und einen Guide zur Seite stellen wollte. Meine Nase war nun voll vom Hin und Her um die Permits und nochdazu voellig verquollen von der Luftverschmutzung. Pepe konnte ich nicht auftreiben und mein Fahrrad guckte mich so ungeduldig an, dass ich nun ein zweites Mal beschloss in aller Fruehe aufzubrechen - allerdings ohne vorher noch einmal nach e-mails zu schauen.

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© 2003 andreas hahn